„Die Streichung der spezifischen Gewissensklausel für Abtreibung bedeutet die Erkenntnis, dass die Diskriminierung ein Ende haben muss.“

Interview: Zum ersten Mal in der Geschichte des Berufsstands kam es am 18. Juli im Nationalen Kolleg der französischen Gynäkologen und Geburtshelfer zu einer gemeinsamen Stellungnahme zugunsten der Abschaffung der Gewissensklausel speziell für Abtreibungen. Interview mit Laura Berlingo, Geburtshelferin und Gynäkologin am Entbindungskrankenhaus Bluets in Paris und Autorin des Buches „Une sexuelle à soi“, die „Nein“ zu dieser Gewissensklausel sagt.
Interview von Pia Carron
Übertragung der Abstimmung der Senatoren und Abgeordneten über die Verankerung der garantierten Abtreibungsfreiheit in der Verfassung auf dem Platz der Menschenrechte am 4. März 2024 in Paris. ERIC BRONCARD/HANS LUCAS VIA AFP
In Frankreich hat jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens eine Abtreibung vorgenommen. Obwohl dieser medizinische Eingriff immer häufiger vorkommt, genießt er vor dem Gesetz immer noch einen Ausnahmestatus. Seit der Verabschiedung des Veil-Gesetzes unterliegt der freiwillige Schwangerschaftsabbruch einer sogenannten „spezifischen“ Gewissensklausel. Laut dieser ist ein Arzt niemals verpflichtet, ihn vorzunehmen, selbst wenn er die Patientin an Ärzte überweisen muss, die den Eingriff durchführen können. Diese Klausel wird zusätzlich zu der allgemeinen Gewissensklausel für alle nicht dringenden medizinischen Eingriffe angewandt. Da dies eine Stigmatisierung für Frauen mit Abtreibungswunsch darstellt, gab das französische Nationale Kolleg für Gynäkologie und Geburtshilfe (CNGOF) am 18. Juli bekannt, dass diese doppelte Gewissensklausel nicht länger notwendig sei.
Die Ankündigung ist symbolisch, aber historisch. Seit 1975 hat jeder Versuch, die spezifische Gewissensklausel zu streichen, hitzige Debatten ausgelöst und ist gescheitert. Der letzte Versuch erfolgte 2022 mit dem Gesetz zur Stärkung des Abtreibungsrechts, das von der Abgeordneten Albane Gaillot, heute Co-Direktorin der Vereinigung für Familienplanung, eingebracht wurde. Fünfzig Jahre später ist dies das erste Mal, dass sich innerhalb der Branche eine gemeinsame Position herausgebildet hat.

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